R.Roger Breton / Nancy J. Creek *
Wie die Katze zum Haustier wurde
Folge 1:
Es war einmal ... ein Wolf
Um die Zähmung der Katze besser nachvollziehen zu können, drehen wir das Rad der Geschichte zurück. Die Ziege gilt als ältestes Haustier, und ihre Zähmung dürfte etwa vor 20000 Jahren vollzogen worden sein.
Nicht viel später zähmte der Mensch den Wolf. Natürlich kennt man den exakten Mechanismus der Zähmung nicht mehr, aber das folgende Szenario ist möglich - ja, sogar wahrscheinlich.
Auf der Jagd findet ein Mensch einen Wolfswelpen. Da er gerade nicht hungrig ist, nimmt er seine Beute mit nach Hause, um sie später zu essen. Lebendiges Essen verdirbt nicht ! Der Welpe, zu jung und unerfahren um Angst zu verspüren, tut, was Welpen so tun. Dies gefällt dem Mann und seiner Familie. So lassen sie den Welpen eine Weile länger am Leben.
Der Welpe wächst zu einem Wolf heran und ganz wie ein Wolf betrachtet er seine Menschen als sein Rudel. Er lernt sehr schnell, seinen Menschen bei der Jagd behilflich zu sein und apportiert die erlegte Beute seinem Anführer. Schon bald will jeder einen zahmen Wolf als Gehilfe bei der Jagd.
Aber der Wolf zeigte vielleicht noch weitere dem Menschen nützliche
Eigenschaften.
Eines Tages erscheint ein hungriges wildes Tier, vielleicht sogar ein anderer Wolf. Es streicht um die menschliche Behausung in der Hoffung auf ein schnelles Mahl. Der zahme Wolf vertreibt den Eindringling, da er instinktiv sein "Menschenrudel" verteidigt. Bald will jeder einen zahmen Wolf als Beschützer für seine Kinder.
Der Pakt ist besiegelt, der zahme Wolf ist nun ein Hund und für immer mit dem Menschen verbunden.
Es war einmal ... eine Falbkatze
Die Zähmung der Katze war nicht so leicht zu bewerkstelligen. Die Katze ist kein Rudeltier und verfügt nicht über kooperative Instinkte wie der Wolf. Ausserdem ist sie im Gegensatz zum Hund ortsgebunden. So steht ihre Zähmung wahrscheinlich in engem Zusammenhang mit der Sesshaftwerdung der Menschen.
Die Katze wurde erst vor etwa 5000 Jahren gezähmt. Die Mechanismen einer Zähmung sind bemerkenswert einfach - und die Katze wurde gleich an mehreren Orten Afrikas und Südwestasiens im Laufe von Jahrtausenden domestiziert.
In Aegypten
Dies geschieht auch im Tal des Nils, dem heutigen Sudan; damals zu
Oberägypten gehörend. Die Leute dieser Gegend geben das Nomadenleben ihrer Vorfahren auf; lernen, den Boden zu bearbeiten und verbinden sich zu Ackergemeinschaften. Da diese Kommunen sehr vom Vorhandensein des Korn abhängen, das nur ein- bis zweimal im Jahr geerntet werden kann, müssen sichere Aufbewahrungsorte für die Ernteerträge gefunden werden. Kleine Mengen Korn konnten die Menschen noch in Körben zu Hause aufbewahren. Jetzt bauen sie Kornspeicher. Diese ziehen Mäuse, Ratten und andere Nager an, die sich sehr schnell dem Menschen beziehungsweise seinem Korn anschliessen und so stets zu einer Gratismahlzeit kommen. Durch ihre schnelle Vermehrung herrscht rasch ein Ueberfluss an Nagern. Das zieht die dortige Urkatze an, die afrikanische Falbkatze, die auf diese Weise ebenfalls zu einer leichten Mahlzeit kommt.
Es brauchte nicht viel Beobachtungsgabe um zu bemerken, dass die Nager das Korn
fressen, was unerwünscht ist; die Katzen hingegen die Nager, was
erwünscht ist.
Die Menschen beginnen, die Katze in ihre Nähe zu locken, indem sie ihnen Fischköpfe und andere Essensreste überlassen, was die Katzen sehr schätzen. So finden die Katzen eine sichere Nahrungsquelle (Nager und Fischköpfe), eine zuvorkommende Behandlung durch den Menschen (niemand misshandelte oder verjagte eine Katze, da ihr Fehlen die Nagerpopulation zu einer Plage anwachsen liess), und sie profitieren ausserdem vom Fernbleiben ihrer Feinde (viele katzenfressende Tiere scheuten die Nähe von Menschen).
Die Katzen erobern sich ihren festen Platz unter der Obhut der Leute.
Mit ihrem stillen Wesen gewöhnt sich die afrikanische Katze
allmählich an den Menschen. Sie erlaubt es ihm, sich ihr zu nähern. Dann lässt sie sich auch streicheln und vielleicht sogar auf dem Schoss halten. Als leidenschaftliches Tier belohnt die Katze alle diese Liebkosungen mit Liebe und Zuneigung. Sie schmeigt sich an den Menschen an und schmeichelt ihm (machen das nicht selbst Hunde?), und ausserdem schnurrt sie.
Schnurren ist ein einzigartiges und überwältigendes Phänomen, sowohl in seinem Entstehen wie auch in seiner Auswirkung. Ein Farmer kann den ganzen Tag auf den Feldern arbeiten und todmüde nach Hause kommen - die Katze wird ihm auf den Schoss springen, sich ihm anschmiegen und schnurren.
Die Katze schläft den Tag über in kurzen Abschnitten, und nicht an einem grösseren Stück wie der Mensch oder der Hund. Sie wird sehr schnell wach und ist sofort bereit, ihrer Arbeit als Mäusejägerin jederzeit nachzukommen. In der Nacht, wenn die Mäuse wach sind und die Hunde schlafen, ist sie besonders aufmerksam. Sie hilft oft dem Familienhund, indem sie ihn zuerst alarmiert, wenn sie ein verdächtiges Geräusch während der Nacht vernimmt und alle andern Hausgenossen schlafen.
Die Katze sieht und hört viel besser als der Hund, vor allem in der
Dunkelheit. Ausserdem verträgt sie sich gut mit ihrem Hunde-Genossen und kooperiert mit ihm.
Im Gegensatz zum Hund ist die Katze sauber. Sie vergräbt ihre
Hinterlassenschaften fern von ihrem Revier, um keine Verfolger oder andere
Katzen anzulocken.
Alle diese wünschenswerten Eigenschaften und Begleiterscheinungen tragen dazu bei, dass die Katze als Gehilfin und Gefährtin ein dauerhaftes Mitglied der menschlichen Gesellschaft wird.
Die Katze hat sich e abliert.
Folge 2:
3.Folge
In Ägypten gab es weit mehr Katzen- als Menschenmumien: alleine in den Ausgrabungen von Beni-Hassan wurden davon mehr als 300000 gefunden.
Die Mythologisierung der Katze beruht nicht nur auf ihrer Fähigkeit, die Nager zu vertilgen. Bald beginnen die Menschen zu glauben, dass die Katzen einen direkten Einfluss auf Gesundheit, Ehe, Vermögen und andere katzenferne Aspekte ihres Lebens besitzen und werden durch die Priester in ihrem Aberglauben noch unterstützt.
Die Göttin des Lebens und der Familie ist Bastet, die einen Frauenkörper mit einem Katzenkopf besitzt. In Abbildungen trägt Bastet in ihrer linken Hand oft das Amulett des allsehenden Auges, das utchat, dem magische Kräfte zugesprochen werden.
Das utchat ist in der Gesellschaft allgegenwärtig als Dekoration, in Schreinen, als Schmuck usw. Es wird oft als Katzenauge abgebildet, manchmal sogar mit Katzen innerhalb des Auges. Ein utchat an der Türe richtet sein wachsames Auge auf Diebe und Herumstreicher und beschützt das Heim. Ein Auge am Balken hält sein wachsames Auge über alle, die sich in diesem Haus aufhalten und bewahrt sie vor Krankheit und Unfall. Ein um den Hals getragenes Amulett hält sein wachsames Auge auf die Strasse und schützt die Reisenden vor Gefahr. Ein Amulett, das eine Katzenmutter mit ihren Jungen darstellt, wird dem frischvermählten Paar als Geschenk überreicht, damit es viele Kinder haben wird.
Die Bedeutungen der Amulette sind so zahlreich wie ihre Hersteller.
Folge 4
Offensichtlich verschwindet die Seuche durch drei sich gegenseitig beeinflussende Faktoren:
- es sterben so viele Menschen, dass die Felder nicht mehr bearbeitet werden können;
- die Ratten sammeln sich alle in den Städten an;
- plötzlich sind die rattentötenden Katzen wieder mächtig.
Dankbar wie die Menschen nun mal sind, "belohnen" sie die Arbeit der Katze, indem sie die feline Inquisition weiterführen.
Dieser Wahn endet erst im 20.Jahrhundert, als die verschiedenen christlichen Kirchen endlich aufhören, Hexen und ihre Familienangehörigen, meist Katzen, anzuklagen und zu verurteilen.
Und jetzt kommt einer daher, der das Anwesen der Alten verpestet (sanitäre Anlagen waren unbekannt). Diese murmelt böse Verwünschungen und verflucht ihn, die Katze auf ihrer Schoss liebkosend.
Am folgenden Tag stürzt dieser über einen Stuhl und bricht sich den Arm. Als gottesfürchtiger Mann denkt er, dass nur der Teufel ihn mit einem Armbruch bestraft haben konnte.
Also musste es die Alte gewesen sein, die ihm ein böses Auge zugeworfen hat- genau, sie muss ein Teufel sein und die Katze sein Diener.
Manch unschuldige Alte und ihre unschuldige Katze mussten ihr Leben wegen solch wagen Anschuldigungen lassen .
In der Zeit von 1550 bis 1750 wurden schätzungsweise zwischen "nur" 200000 und 3 Millionen Frauen lebend verbrannt und mit ihnen noch viel mehr Katzen.
Im fernen Osten
Im fernen Osten kommt die Katze auf zwei Wegen an, nämlich über die Überlandhandelsrouten und über den Seeweg, und sie wird augenblicklich geschätzt wegen ihrer Anti-Ratten-Qualität.
Sie wird aber ebenfalls wegen ihres Nährwertes geschätzt (Moo-goo-gai-kitty mit gebratenem Reis!).
Das ist ein gemischter Segen für die Samtpfötige.
Einerseits kann sie sich jetzt ungehindert vermehren und wird in der Produktion ihres Nachwuchses sogar gefördert, anderseits muss sie sich plötzlich mit dem Menschen als Katzenesser abfinden. Dieser züchtet die Katzen nicht nur uneigennützig, und manches Jungtier ist nicht als Mäusevertilgerin betimmt, sondern wird selber aufgegessen.
Die Katze breitet sich in der ganzen Welt aus und ihre Erscheinung erlangt unter dem beabsichtigten und unbeabsichtigten Einfluss des Menschen eine grosse Vielfalt, möglicherweise auch durch Hineinzüchten von lokalen Wildkatzen bedingt.
Aberglaube
In manchen Regionen, fern vom Einfluss der Kirchen, besitzt die Katze religiöse und mystische Bedeutung. Wegen ihrer Fähigkeit, Katastrophen zu überleben, werden der Katze oft neun Leben nachgesagt - 9 ist eine mystische Zahl, die Verdreifachung der Dreieinigkeit - , und sie wird mit Glück in Verbindung gebracht.
Die Japaner haben die MIKE, eine Dreifärber (diese Katzen sind immer weiblich), oder Glückskatze. Statuen von Glückskatzen kann man in ganz Japan sehen.
Die Briten besitzen den Aberglauben, dass das Glück folgen wird, wenn eine Katze, im Speziellen eine schwarze, ihren Weg kreuzt.
Unser eigener Aberglaube betreffend schwarze Katzen kommt aus der Zeit der Hexenverfolgungen, wo manch arme Katze zusammen mit ihrer Herrin aufgehängt wurde. Deshalb sagt man der Katze nach, dass sie Unglück bringe.
Zusammen mit dem britischen Aberglauben wird aus einer schwarzen Katze, die Glück bringt, ein Unglücksbote.
Asien
In Asien werden die Katzen oft in den Tempeln zur Mäusekontrolle gehalten, damit diese nicht die Schriftrollen der Gläubigen anknabbern, und manch eine Katze wird halbmystisch.
Die Tibetischen Lamas verehren die Katze wegen ihrer Geduld.
In Siam, dem heutigen Thailand, züchten die Priester geweihte Tempelkatzen, ähnlich den heutigen Siamesen, aber mit einem runderen Kopf, gedrungenerem Körper und einem Knick im Schwanz.
Dieser Knick hat eine religiöse Bedeutung in den Tempeln, wird aber auch ausserhalb gezüchtet.
In Burma ist die heilige Tempelkatze langhaarig, mit weissen Pfoten, aber ohne Knick im Schwanz - die heutige Birmakatze.
Die ägyptische Mau ist eine getupfte Tigerkatze, mit langen Beinen. Die Hinterbeine sind leicht länger, wodurch eine schiefe Stellung entsteht, was die Katze sehr schnell macht. Sie sieht der Afrikanischen Wildkatze sehr ähnlich, mit Flecken statt Streifen.
Die Abessinier hat ein gesprenkeltes hasenähnliches Fell mit einem sehr wild aussehenden Gesicht, und erinnert stark an die Katzen, die in Tempeln abgebildet sind.
Wahrscheinlich war die ursprüngliche Katze eine schwach getigerte afrikanische Wildkatze, so wie man sie heute noch am Rand der Wüsten entdecken kann.
Daraus entstanden durch Zucht andere Färbungen und Musterungen wie breitgetigert, gefleckt, gesprenkelt.
Fast mit Gewissheit kann angenommen werden, dass die Katze an verschiedenen Orten der Welt unabhängig voneinander domestiziert wurde.
Unsere heutigen Katzen sind auf eine Zusammenstellung der Varianten von den ursprünglichen Katzen zurückzuführen.
*) Originaltitel:THE CAT IN HISTORY. Übersetzt durch Katja Zuniga. August/September 1996.
Wir wollen diesen Artikel den Besuchern unserer Seiten zugänglich machen, weil wir ihn interessant und unterhaltend finden. Ob er wissenschaftlichen Kriterien zu genügen vermag, lassen wir dahingestellt.
copyright der Übersetzung: © Stiftung Pro Büsi, 1996.
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